Sonntagsruhe, Kindheitserinnerungen und ein sizilianischer Zitruskuchen

Ich sitze in eine flauschige Decke gehüllt in der Ecke von Æblerø und genieße die Sonne, den Himmel und die sonntägliche Ruhe. Die Vögel zwitschern, ein altes Einweckglas mit Traubenhyazinthen steht auf dem kleinen Balkontisch vor mir und ich tu was ich selten tu: ich rauche genüsslich eine Zigarette, halte mein Gesicht in die Sonne und lasse mich von der Ruhe und den Sonntagsgeräuschen einlullen. Das, was Elisabeth Flickenschildt in ihrem Buch „Kind mit roten Haaren“ als bedrückend beschreibt, gerade wenn im Sommer sich noch die Schwere heißer aneinandergereihter Sommertage in Hamburger Stadtteil Blankenese dazu mischte, habe ich schon immer genossen. Wenn man als Kind nach einem schweren Mittagessen die Gelegenheit am Schopf ergriff, weil die Erwachsenen ihre gefüllten Bäuche auf Sofa und Sessel entspannten oder tief in im Schatten stehende Liegestühle sanken, ging ich auf Entdeckungstour in Omas und Opas Garten, kroch durch den verwilderten Gang zur Gartenlaube, pflückte Walderdbeeren, die auf dem Terrassengarten wuchsen und sammelte ein, was mir in meiner Phantasiewelt in die Finger kam und zur Geschichte in meinem Kopf passte. Kind mit rotblonden Haaren, aufgeschlagenen Knien und Sand und Dreck an Händen und Füßen.

Wenn sich Oma, Opa, Mama, Papa, Tante, Onkel mit Gestöhne aufrichteten, weil nun endlich Platz für Kaffee und Kuchen war, war ich selig, sank selbst auf einen Stuhl, führte eines meiner erdachten Stücke auf und sorgte für Belustigung der Verwandt- und Nachbarschaft. Ich fuhr mit einem riesigen Rhabarberblatt auf dem Kopf auf meinem kleinen roten Fahrrad über den Schotter des Hofes, spielte mit einem Tennisschläger Labamba und sang dazu oder zeigte voller Stolz meine erste Zecke am Po. Das fand die Gemeinschaft nicht so lustig und ich wurde auf das große hellgrüne Sofa verfrachtet, die Zecke wurde entfernt und zur Belohnung gab es Eis, weil ich nicht den Mega-Aufstand geprobt hatte.

Mit meinen Augen ging morgens der Mund auf, sagt meine Mutter heute noch, und mein Göttergatte kann das bestätigen. Geht es mir gut, ist das meistens heute – zum Leidwesen einiger (An-)Verwandter – noch so. Tja, Kind mit rotblonden Haaren, aufgeschlagenen Knien, und Sand und Dreck an Händen und Füßen hatte schon immer Quasselwasser getrunken. Gern, sehr gern! Bin ich fröhlich, quassel ich! Ich beobachte, dass meine Stimme auch mit der Zeit immer etwas rauher wird, was – wie ich vermute – am Wortschwall liegt, der sich täglich den Weg hinaus bahnt. Ich möchte auch die Hypothese, vielleicht sogar Theorie aufstellen, dass Italiener oft eine so ergreifend rauhe Stimme haben, weil ihre Sprache so wortgewaltig ist. Ich liebe das – auf der einen Seite, auf der anderen Seite liebe ich Ruhe und Stille und die Melodie der Natur.

Wenn ältere Menschen von ihrer Kindheit erzählen und davon, wie das Verhalten bei Tisch gewesen ist, imponieren mir manche Dinge, andere finde ich schrecklich. Neulich sagte eine Bekannte zu mir, dass es doch schön sei, wenn die Kinder bei sterbenslangweiligen Familienfeiern ein iPad in die Hand gedrückt bekommen. Ich habe mich bei Familienfeiern eigentlich nie gelangweilt. Entweder habe ich mit Omas schwarzem Kohlekajal die Blumen an der Tapete des Gästezimmers nachgemalt – sehr zur Freude aller – oder ich habe beim Abtrocknen geholfen und den Gesprächen gelauscht. Oma, die einen neuen Kühlschrank mit dem Namen „Alaska“ bekommen hatte und sagte, dass ihr schon beim Lesen des Namens ganz kalt würde. Oma, die nicht gern „Sendung mit der Maus“ geguckt hat, weil sie Mäuse nicht besonders gut leiden konnte. Und Opa, der ohne mit der Wimper zu zucken die hundertste Flasche „Doppelherz“ zum Geburtstag in einem riesigen Präsentkorb bekam, für den aber das größte seine kleine Enkeltochter war. Das kann ich mit Fug und Recht und ohne Arroganz behaupten. Diese Enkeltochter bin ich – Kind mit rotblonden Haaren. Opa, der mich aus dem Gartenteich fing, in den ich kopfüber eintauchte, weil ich die Goldfische genauer anschauen wollte, der unzählige Male Eis in der Mosterei im Dorf kaufte bei der alten „Frau Moster“, die auf Anraten eines naseweisen Kindes Schokoladenstückchen in das Schokoeis gemacht hat. Opa, der heimlich, still und leise viel zu früh von dieser Welt ging und den ich manchmal schmerzlich vermisse. Mit dem ich an vielen Nachmittagen das Zuckerbrot in den Karokaffee tunkte oder Milchreis mit viel Zimt und Zucker aß, der morgens seine Kniebeugen im gelb-gefliesten Badezimmer machte und der an Weihnachten mit liebevoll ausgestrecktem Zeigefinger und gerauntem ‚Horch!‘ dafür sorgte, dass man den Weihnachtsmann hörte.

Und so sitze ich hier, schwelge in Kindheitserinnerungen und würde sie gern einladen zu einem Stück sizilianischen Zitronenkuchen.

Und was würden sie wohl sehen? Was ist geworden aus dem Kind mit den rotblonden Haaren?

Rezept für sizilianischen Zitruskuchen

Ihr braucht:

  • 4 Eigelb
  • 4 Eiweiß
  • 125 g Zucker
  • Abgeriebene Schale von zwei Bio-Orangen + deren Saft
  • Abgeriebene Schale von einer Bio-Zitrone + den Saft
  • 125 g gemahlene Mandeln
  • 200 g glutenfreies Mehl (z. B. „Kuchen & Kekse“ von Dr. Schär)
  • 2 TL Weinsteinbackpulver
  • Mandeln und Zucker für die Verzierung

Fettet eine Springform mit Butter oder Margarine. Rührt die Eigelbe und den Zucker schaumig und gebt die abgeriebene Schale von Zitrone und Orangen hinzu. Gießt den ausgepressten Orangen- und Zitronensaft zum Teig und lasst die Mandeln einrieseln. Gebt dann Mehl und Backpulver dazu und verrührt alles zu einem flüssigen Teig. Schlagt das Eiweiß steif und gebt es anschließend unter die Mischung.

Gießt den Teig in die gefettete Springform und backt dem Kuchen bei ca. 180 Grad Ober-/Unterhitze bis er goldbraun ist.

Nehmt die Form aus dem Ofen und lasst ihn abkühlen. Wenn Ihr den Kuchen aus der Form nehmt, könnte es sein, dass er etwas zusammenfällt. Das tut dem Geschmack aber keinen Abbruch!

Zerstoßt die Mandeln im Mörser oder tut sie in einen Gefrierbeutel und haut mit dem Nudelholz darauf. Gebt zwei bis drei EL Zucker in eine Pfanne und macht Karamell. Gebt die Mandel dazu. Ständig rühren!

Dann gebt die Mandeln auf den Kuchen.

Ladet Euch die Liebsten ein und genießt den Sonntag!

Herzliche Grüße,

Frøken Fluesvamp – Fräulein Fliegenpilz 🍄

10 Kommentare zu „Sonntagsruhe, Kindheitserinnerungen und ein sizilianischer Zitruskuchen

  1. Jaa, der Kuchen ist wirklich Doppel-hmmh! ❤ Ich finde Mandeln und Zitrone sind einfach ein absolutes Dreamteam und ich glaube wir beide wären das auch gewesen.^^
    Hallo du liebstes Rabauken Kind. ❤ ❤ ❤ Ich freu mich so, von dir zu lesen. So ein schöner Text! Das sind wirklich ganz wertvolle Erinnerungen und mit Büllerbü im Herzen und auf dem Kopf, Ich glaube wir beide hätten richtig viel Spaß miteinander gehabt! Ich war früher eher ruhig, meine große Sandkasten Liebe Emma war mein Gegenpol, die Rabaukin…
    Wenn man es weiß, sieht man direkt, das das auf den Fotos dein Opa ist! Ihr seht euch echt ähnlich, wobei du natürlich noch den Niedlichkeits- Bonus hast.^^ Rotblonde Haare und mit Rhabarber Blatt Hut. Das ist echt zu gut!^^
    Ach, schön… Danke für diesen Montags-Schmunzler Text und hoffentlich bis ganz bald.
    Es herzt dich, dein Marktfräulein, Jenny. ❤

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    1. Ach Du liebe Bäckerin! Du bist echt so ein Goldstück! Ich danke Dir für die so lieben Worte! Mandeln und Zitrone sind wirklich gigantisch zusammen. Die Zitrusfrüchte sind auch ein Traum. Haben die feinste Bio-Ware auf dem Wochenmarkt bekommen, und dann dieser Duft!!! Herrlich!!!
      Ruhig war ich eigentlich auch, rabaukig war ich nur manchmal 😁😉 also ich war kein brüllendes Kind. Manchmal bockig, aber nicht laut. So mancher Kindergeburtstag hat mich an meine Grenzen gebracht und ich musste, um wieder runterzukommen, meine Schleichtiere sortieren. Gerade wenn wir schwimmen waren und alles so trubelig war.
      Es freut mich soooo sehr, dass Dir mein Text so gefallen hat. Es gibt noch so viel mehr Erinnerungen. ❤️
      Ich bin gespannt auf all Deine weiteren Blogtexte, Erinnerungen und Erlebnisse. Wollen wir demnächst mal wieder eine Koch-/Backaktion starten?
      Es drückt Dich herzlich Dein Fräulein Fliegenpilz 🍄

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  2. Liebe Kristina, deine Geschichte lässt nur einen möglichen Schluss zu! Du bist die Schwester von Pippi Langstrumpf 😀 Ich wäre gerne mit dir im Garten gewesen und hätte Abenteuer erlebt, denn meine Verwandten neigten ebenfalls zum Nickerchen, welches ich selber nie benötigte. Danke für die wunderbare Geschichte, niedliche Bilder und ein leckeres Rezept 🙂

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    1. 😂😂 welch Kompliment! Aber Du hast es erfasst! Es sagen tatsächlich ein paar Leute Pippilotta. Eine Handvoll vielleicht 😉 ich hätte Dich gern mitgenommen auf meinen Entdeckungstouren, aber Du hättest keine Angst vor Dreck, Regenwürmern und Blindschleichen haben dürfen. Wovon ich jetzt mal nicht ausgehe Tommy – äh – Arno 😉😉 Grüße an Dich und einen schönen Sonntag, Pippi

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